Aufsatz von Volker Schernikau zum Griechischen Erbrecht
1. Einleitung
Das griechische Erbrecht ist ein vielschichtiges System, das sowohl nationale als auch europäische Vorschriften umfasst. Besonders durch die Europäische Erbrechtsverordnung (EU-ErbVO, Verordnung (EU) Nr. 650/2012) ergeben sich für internationale Erbfälle relevante Regelungen. Das Erbrecht in Griechenland ist stark formalisiert, basiert auf einem klaren Parentelensystem und weist spezifische Vorschriften für Ehegatten, Pflichtteile und Gesellschaftsanteile auf. Zudem nimmt die Besteuerung von Erbschaften eine zentrale Rolle ein. Ziel dieses Aufsatzes ist es, eine umfassende Darstellung des griechischen Erbrechts zu geben, das Zusammenspiel mit internationalen Regelungen zu beleuchten und die steuerlichen Implikationen für Erben detailliert darzustellen.
2. Gesetzliche Erbfolge nach griechischem Recht
Falls der Erblasser kein Testament hinterlassen hat, bestimmt die gesetzliche Erbfolge gemäß den Vorschriften des griechischen Zivilgesetzbuches (Art. 1813–1824 grZGB) die Verteilung des Nachlasses. Das Erbrecht folgt dem Parentelensystem, das Erben in verschiedene Ordnungen einteilt:
Ordnung (Art. 1813 grZGB): Die Erben erster Ordnung sind die direkten Nachkommen des Erblassers, also Kinder, Enkel und Urenkel. Alle Erben dieser Ordnung erben zu gleichen Teilen.
Ordnung (Art. 1814 grZGB): Falls keine Erben der ersten Ordnung vorhanden sind, erben die Eltern des Erblassers sowie dessen Geschwister. Sind die Geschwister verstorben, treten deren Nachkommen an deren Stelle.
Ordnung (Art. 1815 grZGB): Großeltern des Erblassers sowie deren Nachkommen.
Ordnung (Art. 1816 grZGB): Urgroßeltern, jedoch ohne deren Nachkommen.
Ein zentraler Aspekt des griechischen Erbrechts ist der Grundsatz der Nachlasseinheit. Nach Art. 28 grZGB unterliegt der gesamte Nachlass einer einzigen Rechtsordnung, unabhängig davon, ob es sich um bewegliche oder unbewegliche Vermögenswerte handelt.
Der überlebende Ehegatte nimmt gemäß Art. 1820 grZGB eine besondere Stellung ein. Neben den Erben der ersten Ordnung erbt er ein Viertel des Nachlasses, während er neben Erben der zweiten oder einer niedrigeren Ordnung die Hälfte erhält. Falls keine weiteren Erben vorhanden sind, wird der überlebende Ehegatte Alleinerbe. Zudem besitzt der Ehegatte ein Sonderrecht auf gemeinsam genutzte Haushaltsgegenstände nach Art. 1821 grZGB.
3. Testamentarische Erbfolge und Testamentsarten
Das griechische Erbrecht räumt dem Erblasser weitgehende Möglichkeiten ein, seine Erbfolge durch ein Testament zu regeln. Dabei sind drei verschiedene Testamentsformen zulässig:
Öffentliches Testament (Art. 1724 grZGB): Dieses wird vor einem Notar in Anwesenheit von Zeugen errichtet. Es bietet die höchste Rechtssicherheit und wird amtlich verwahrt.
Eigenhändiges Testament (Art. 1721 grZGB): Der Erblasser muss es eigenhändig schreiben, datieren und unterschreiben. Ein eigenhändiges Testament kann angefochten werden, falls Zweifel an seiner Echtheit bestehen.
Geheimes Testament (Art. 1738 grZGB): Dieses wird dem Notar in einem verschlossenen Umschlag übergeben und erst nach dem Tod des Erblassers eröffnet.
Nach Art. 1717 grZGB sind gemeinschaftliche Testamente unzulässig. Auch Erbverträge sind gemäß Art. 368 grZGB im Regelfall nicht zulässig, mit Ausnahme der sogenannten "Lex Onassis" (Gesetz 472/1974), die unter bestimmten Voraussetzungen Erbverträge für Ehepartner mit Wohnsitz im Ausland erlaubt.
4. Pflichtteilsrecht und Erbenhaftung
Das griechische Erbrecht sieht einen besonderen Schutz für nahe Angehörige vor, die durch ein Testament vom Erbe ausgeschlossen wurden. Der Pflichtteil beträgt gemäß Art. 1825 grZGB die Hälfte des gesetzlichen Erbteils und steht den direkten Nachkommen, dem überlebenden Ehegatten sowie den Eltern des Erblassers zu. Eine Enterbung ist nur unter bestimmten Voraussetzungen nach Art. 1829 grZGB möglich.Erben haften gemäß Art. 1901 grZGB grundsätzlich unbeschränkt für die Nachlassverbindlichkeiten, es sei denn, sie nehmen die Erbschaft unter dem Vorbehalt des Inventars an (Art. 1904 grZGB). In diesem Fall haften sie nur mit dem geerbten Vermögen und nicht mit ihrem eigenen Vermögen.
5. Gesellschaftsanteile im Erbfall
Gesellschaftsanteile sind nach Art. 29 des Gesetzes 3190/1955 grundsätzlich vererblich. Für GmbH-Anteile sieht das Gesetz jedoch bestimmte Einschränkungen vor. Der Gesellschaftsvertrag kann Klauseln enthalten, die den Eintritt eines Erben in die Gesellschaft regulieren. In solchen Fällen kann der Gesellschaftsanteil von den Mitgesellschaftern übernommen werden, falls dies vertraglich vorgesehen ist.
6. Erbschaftsteuer in Griechenland
Die Erbschaftsteuer in Griechenland unterliegt dem Gesetz Nr. 2961/2001 und wird progressiv erhoben:
Steuerklasse A (Art. 29 ErbStG): Ehepartner, Kinder, Enkel und Eltern genießen hohe Freibeträge und niedrige Steuersätze (0 % bis 10 %).
Steuerklasse B (Art. 30 ErbStG): Geschwister, Großeltern, Stiefeltern und Schwiegereltern unterliegen einer moderaten Besteuerung (5 % bis 20 %).
Steuerklasse C (Art. 31 ErbStG): Nicht verwandte Erben und entfernte Bekannte zahlen die höchste Steuer (20 % bis 40 %).
7. Internationale Aspekte des Erbrechts
Internationale Erbfälle werden in Griechenland durch die EU-ErbVO (Verordnung (EU) Nr. 650/2012) geregelt. Diese bestimmt, dass die gesamte Rechtsnachfolge von Todes wegen dem Recht des Staates unterliegt, in dem der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Erblasser können jedoch gemäß Art. 22 EU-ErbVO eine Rechtswahl treffen und das Recht ihrer Staatsangehörigkeit für ihren Nachlass bestimmen.
Für deutsche Erben sind die Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Deutschland und Griechenland (Gesetz 4305/1963) von Bedeutung. Bewegliches Vermögen wird in der Regel nur in einem der beiden Staaten besteuert, während unbewegliches Vermögen stets in Griechenland der Erbschaftsteuer unterliegt.
Volker Schernikau
Rechtsanwalt
Über unsere Kanzlei
Seit mehr als sieben Jahrzehnten stehen wir nun für juristische Exzellenz, Zuverlässigkeit und das Vertrauen unserer Mandanten. Heute zählen wir zu den führenden Anwaltskanzleien im Zuständigkeitsbereich des Amtsgerichts Soltau. Unsere tiefe Verwurzelung in der Region ermöglicht es uns, die spezifischen rechtlichen Bedürfnisse unserer Mandanten optimal zu verstehen und zu bedienen.
Die Leitung der Kanzlei liegt derzeit in den Händen von:
Rechtsanwalt Volker Schernikau, Sohn des Kanzleigründers
Unser breit gefächertes Expertenwissen in diversen Rechtsgebieten ermöglicht es uns, unseren Mandanten eine ganzheitliche und maßgeschneiderte Beratung anzubieten. Wir zeichnen uns nicht nur durch unsere fachliche Kompetenz aus, sondern auch durch zahlreiche Fachanwaltschaften, die unsere Spezialisierung in verschiedenen Rechtsbereichen unterstreichen.
Wir legen großen Wert auf kontinuierliche Fortbildung und die Anwendung neuester juristischer Erkenntnisse, um stets auf dem aktuellsten Stand zu bleiben. Dies gewährleistet, dass wir unseren Mandanten Lösungen auf höchstem Niveau bieten können. Unser engagiertes Team, bestehend aus erfahrenen Anwälten und hochqualifizierten Mitarbeitern, steht Ihnen jederzeit zur Seite.
Regelmäßige Schulungen unseres Personals garantieren eine effiziente und zügige Bearbeitung Ihrer Anliegen. In unserer Kanzlei verbinden wir jahrzehntelange Erfahrung mit einem modernen, kundenorientierten Ansatz. Wir sehen uns als Vermittler zwischen Ihren persönlichen Zielen und der komplexen Welt des Rechts. Unser Anspruch ist es, auch für juristische Laien verständliche und präzise Lösungen zu entwickeln.
Kontakt aufnehmen
E-Mail:
[email protected]
Adresse:
Verdener Straße 7
29640 Schneverdingen
Öffnungszeiten:
Montag 09:30–13:00
Dienstag 09:30–13:00, 14:00–16:00
Mittwoch 09:30–13:00, 14:00–16:00
Donnerstag 09:30–13:00, 14:00–16:00
Freitag 09:30–13:00
Samstag Geschlossen
Sonntag Geschlossen
Kontaktformular
Ich bestätige, dass ich Nachrichten von Rechtsanwälte Schernikau GbR unter Verwendung der bereitgestellten Kontaktinformationen erhalten möchte.